1988
Vom 20. bis 22. April 1988 weilte eine Ballenstedter Delegation in Kronberg, vom 26. bis 29. Juni 1988 war eine Kronberger Verhandlungsdelegation in Ballenstedt.
Die Rahmenbedingungen für eine Verschwisterung wurden in gespannter Atmosphäre vereinbart, am 6. Oktober in Kronberg der Partnerschaftsvertrag besiegelt und am 13. Oktober 1988 unter weitgehendem Ausschluss der Öffentlichkeit in Ballenstedt. Für 1989 wurde ein offizielles Austauschprogramm für je zwei Gruppen beschlossen.
Ulrich Wegener beschreibt die Gefühle der 1. Ballenstedter Delegation
(Auszug aus der Festschrift „25 Jahre Ballenstedt-Kronberg“ vom 15.6.2013):
„Unser „Interzonenzug“ fährt von Leipzig über Hirschberg nach Frankfurt am Main. Wir sitzen nachts in Gedanken versunken, jeder für sich im Abteil. Ich schaue zu unserem Delegationsleiter, dem stellvertretenden Bürgermeister Helmut Dierks und unsere Blicke treffen sich unsicher und fragend. Was wird uns erwarten? Wie setzen wir das um, was wir als erste Delegation in den Wochen vom 30.3. bis 20.4. 1988 in Vorbereitung dieser innerdeutschen Begegnung gelernt haben oder lernen sollten? So oder ähnlich stellte sich jeder diese Frage. Warum fuhren wir nachts und nicht am Tag? Sollten wir nicht die blühenden Landschaften sehen und uns fragen, warum sieht es hier so sauber und nicht so grau aus? Wahrscheinlich! Wir hatten soeben die innerdeutsche Grenze passiert, da waren die Reisenden geradezu lustig und offen. … Uns erwartete in Kronberg Bürgermeister Rudolf Möller mit seinem Gefolge und begrüßte uns müde und verunsicherte Ossis mit einem nicht aufhörenden Redeschwall sehr herzlich. … Durch die Grenze zwischen BRD und DDR waren wir von der westlichen Welt abgeschnitten. … Es war etwas Besonderes, dass man zu dieser Zeit reisen durfte. … Wir fuhren ( am 22.4.) wieder nachts zurück. Bis Hirschberg war die Stimmung gut und teilweise ausgelassen, hinter Hirschberg leider wieder gedrückt. Die DDR hatte uns wieder. Die Verantwortlichen Genossen haben wahrscheinlich erleichtert aufgeatmet, dass wir auch alle wieder zurückkamen. …“
Günter Budelski, damals Stadtrat erinnert sich:
„Die erste Ballenstedter Delegation kam am 20. April 1988 mit dem Nachtzug aus Leipzig und wurde von mir auf dem Frankfurter Hauptbahnhof in Empfang genommen, um sie in der S-Bahn nach Kronberg zu begleiten. Dort wurden die Teilnehmer von Rudolf Möller (Bürgermeister), Gerhard Müller (Stadtkämmerer) und Rolf Jodlauk (Hauptamtsleiter) begrüßt. Untergebracht war die Gruppe in einem kleinen Schönberger Hotel. Verhandelt wurde in Kronberg praktisch nichts, da die Ballenstedter Delegation weisungsgebunden aus Ost-Berlin war. …
… Schwierig war die Fahrt am 13.10. nach Ballenstedt, als wir je eine Esskastanie und einen Mammutbaum für den Ballenstedter Schlosspark im Gepäck hatten. „Grünzeug“ konnte man nicht so einfach mit über die Grenze nehmen. Erst mehrere Telefonate und Depeschen mit Berlin machte dieses möglich. Ballenstedt hatte in der ganzen Angelegenheit nichts zu sagen.“
Textauszug Jubiläumssonderbeilage des Kronberger Boten, Juni 1998
„ … Um die Städtepartnerschaft abzuschließen und zu bewahren, musste die Kronberger Delegation bei ihrem Besuch in Ballenstedt vom 26. Bis 29. Juni 1988 einige Abstriche bei ihrem Gedankengut zum Partnerschaftsvertrag hinnehmen“, so Möller. Dies sei geschehen, um überhaupt das zarte Pflänzchen zum Blühen zu bringen. Denn: als der damalige Ballenstedter Delegationsleiter beim ersten Zusammentreffen im Kronberger Rathaus und dem damit verbundenen Eintrag in das Goldene Buch sich weigerte, seine Unterschrift unter eine Passage zu setzen, in der von innerdeutscher Partnerschaft gesprochen wurde, war die Ablehnung deutlich spürbar.
Beim Gegenbesuch: „Ich besuchte ein Lokal in der Ballenstedter Innenstadt und kam mit Jugendlichen ins Gespräch, die deutliche Kritik am Regime übten, aber auch klar machten, dass sie sich von ihrem Erich größere Freiheit für die Zukunft erhofften,“ erinnert sich Bürgermeister Kreß. Zwei Tage lang sei in der Sache hart verhandelt worden, in frostiger Atmosphäre. Aber die Rahmenbedingungen wurden in einer Vereinbarung festgelegt. …“
Die DDR-Presse „Freiheit“ vom 29. Juni 1988 berichtet:
„Städtepartnerschaft Ballenstedt – Kronberg“
Quedlinburg (ADN). Eine Vereinbarung über Städtepartnerschaft paraphierten gestern der amtierende Bürgermeister von Ballenstedt, Helmut Dierks, und der Bürgermeister von Kronberg im Taunus, Rudolf Möller. Beide Stadtoberhäupter bekräftigen ihre Verantwortung aktiv für die Erhaltung des Friedens und gutnachbarliche Beziehungen zwischen beiden deutschen Staaten einzutreten.
Die Delegation aus der BRD, der unter anderem Stadtverordnete der CDU und der SPD angehören, wird sich während ihres dreitägigen Aufenthalts mit Sehenswürdigkeiten des Kreises Quedlinburg vertraut machen und Gespräche mit Volksvertretern führen.“
(Anmerkung: „Paraphierung“ und „Ratifizierung“ der Verschwisterung sind zwei getrennte, aufeinander folgende vertragliche Vorgänge; für die deutsch-deutschen Städtepartnerschaften erfolgten diese in aller Regel im Abstand von mehreren Monaten)
STÄDTEPARTNERSCHAFT
BALLENSTEDT – KRONBERG IM TAUNUS
6. / 13. 10. 1988

Aus diesem Anlass wurde der aus Kronberg im Taunus mitgebrachte Mammutbaum-Sequoia Dendron Giganteum am 14. Oktoberg im Schlosspark gepflanzt.

28.6.1988 – Ballenstedt, Rathaus – Signierung der Vereinbarung für eine Städtepartnerschaft zwischen Ballenstedt und Kronberg v.l.: amtierender Bürgermeister Helmut Dierks, Ballenstedt; Bürgermeister Rudolf Möller, Kronberg (Foto und Text Eberhard Nier, Ballenstedt)

27.6.1988 – Ballenstedt, Quedlinburgerstrasse – Eintreffen der Kronberger Delegation v.l.: Heinrich von Mettenheim, Kronberg; Ger-hard Müller, Kronberg; Marianne Kranich, Ballenstedt; Rudolf Möller, Bürgermeister von Kronberg; Eberhard Dittmar, Ballenstedt; Gisela Bretz, Kronberg; Klaus Vörkel, Kronberg; Wilhelm Kreß, Kronberg (Foto und Text Eberhard Nier, Ballenstedt)

Ballenstedter Delegation im Rathaus Kronberg „Für uns Kronberger war es ein etwas mulmiges Gefühl, auf fast 40 Jahre DDR und Sozialismus anzustoßen“ (Günter Budelski)
Für Klaus Voerkel war die Verschwisterung zwischen Kronberg und Ballenstedt wohl das herausragende Ereignis während seiner Zeit als Rechtsamtsleiter der Stadt Kronberg:
„Die Entstehung des Partnerschaftsvertrags“
Neben all den anderen Voraussetzungen für die Schaffung einer Städtepartnerschaft, wie dem beiderseitigen politischen Willen zum Handeln und dem Vorliegen der passenden Rahmenbedingungen, gehört hierzu der Abschluss eines Vertrages. Erst die Vertragsunterzeichnung durch beide Partner führt dazu, dass die Städtepartnerschaft wirklich entstanden ist und existiert.
Wenn auch schriftliche Verträge in der Bevölkerung häufig nur als lästiger Papierkram angesehen werden und landläufig die Auffassung weit verbreitet ist, dass es auf das Handeln nach Vertragsabschluss und nicht auf juristische Klauseln ankommt, so ist dennoch als Vorbedingung ein Vertrag unverzichtbar. Dies gilt ganz besonders für die Städtepartnerschaft zwischen Kronberg und Ballenstedt.
Im Deutschland des Jahres 1988 war eine innerdeutsche Städtepartnerschaft eine hochpolitische Angelegenheit. Die DDR betrachtete eine solche Partnerschaft als Teil ihrer Außenpolitik, weil die Kommunen in der DDR nicht selbstverwaltet waren, sondern als unterste Ebene der staatlichen Zentralverwaltung in Ost-Berlin angesehen wurden. Die Städte hatten deshalb in einer solchen Frage keinerlei eigene Entscheidungsgewalt. Diese lag beim Ost-Berliner Außenministerium.
In der Bundesrepublik Deutschland galt demgegenüber der Grundsatz kommunaler Selbstverwaltung. Die Städte und Gemeinden waren hierin frei und wurden von staatlicher Seite weder angewiesen noch Einschränkungen unterworfen. Dies führte dazu, dass bei den Verhandlungen die Kronberger Delegation zwar Ballenstedtern gegenüber saß, die jedoch vom Ost-Berliner Außenministerium ferngesteuert wurden. Nun galt es, einen Partnerschaftsvertrag auszuhandeln, in den die völlig unterschiedlichen Vorstellungen beider Seiten einfließen sollten. Ballenstedts ferngesteuerte Wünsche für den Vertragsinhalt betrafen die Rüstungspolitik der NATO, die Rolle der Arbeiterklasse in Ost und West und ähnliche Themen. Die Kronberger strebten nach Kontakten und Begegnungen der Bürger beider Städte.
Von 1978 bis 1990 war ich Rechtsamtsleiter der Stadt Kronberg. Wichtige Verträge wurden von mir entweder entworfen oder mindestens überprüft. Das gehörte zu meinen Berufspflichten. Der Partnerschaftsvertrag mit Ballenstedt war von solcher Wichtigkeit, dass ich vom Beginn der Kontaktaufnahme bis zur Vertragsunterzeichnung das gesamte Verfahren begleitet habe. Neben meiner formalen Stellung als Rechtsamtsleiter kam mir dabei zustatten, dass ich die DDR sehr gut kannte. Selbst in Leipzig geboren, habe ich die DDR in den zwanzig Jahren vor Abschluss des Partnerschaftsvertrages jährlich mindestens einmal besucht und mich für das Leben der Menschen dort, ihren Alltag, ihre Wünsche und Hoffnungen sehr interessiert. Während meines Jurastudiums habe ich mich interessehalber auch mit dem Rechtssystem der DDR befasst und kannte deshalb seinen Aufbau, die wichtigsten Gesetze und die Art und Weise, wie sie angewendet wurden.
Kronbergs Bürgermeister Rudolf Möller hat mich deshalb von Anfang an mit der Betreuung der Ballenstedter Verhandlungsdelegation bei ihren Besuchen in Kronberg und mit der Verhandlungsführung bei den Vertragsverhandlungen betraut. Es gab insgesamt vier Treffen beider Delegationen, zwei in Kronberg und zwei in Ballenstedt. Die eigentlichen Vertragsverhandlungen beschränkten sich aber auf die Treffen in Ballenstedt.
In Kronberg waren die Treffen unergiebig, weil die Ballenstedter keinen eigenen Verhandlungsspielraum hatten, und deswegen keinerlei inhaltliche Aussagen machen konnten. Stattdessen durfte ich die Delegation durch Kronberg und seine Umgebung führen, was unsere Besucher sehr genossen haben. Interessant ist, dass die Ballenstedter bei ihren Besuchen auf das damals noch jedem Besucher aus der DDR gezahlte Begrüßungsgeld von 100 DM verzichtet haben. Dies geschah wohl auf Weisung von oben, weil man aus Gründen der Reputation der DDR nicht als Kostgänger erscheinen wollte. Ich habe dennoch einen Weg gefunden, den Delegationsmitgliedern das Begrüßungsgeld zukommen zu lassen, ohne Empfindsamkeiten zu verletzen.
In Ballenstedt fanden die Verhandlungen im großen Saal des Rathauses statt, in dem auch die Stadtverordnetenversammlung tagt. Wurden die Gespräche unterbrochen, damit sich beide Seiten intern beraten konnten, so verließen die Ballenstedter den Saal. Wir Kronberger waren uns sicher, dass alle Gespräche in diesem Saal abgehört wurden, so dass wir uns intern auch nicht frei austauschen konnten. Diesen internen Gedankenaustausch holten wir dann abends entweder in unserem VW-Bus oder im Freien nach.
Zu Beginn der Verhandlungen übergaben die Ballenstedter den Kronbergern Entwürfe eines Partnerschaftsvertrages, die sicherlich in Ost-Berlin verfasst worden waren. Diese waren nicht akzeptabel, weil sie keine Begegnungen der Bürger vorsahen und nur aus Worthülsen DDR-sozialistischer Prägung bestanden. Unsere Wünsche auf Änderung dieser Texte führten dann nach dem Mittagessen nur zur Vorlage weiterer Texte, die sich von denen des Vormittags kaum unterschieden. Es war nicht möglich, die Ballenstedter zum Schreiben von Vorlagen zu bewegen, die die Vorstellungen der Kronberger Delegation wiedergaben.
Wir Kronberger haben dieses Problem dadurch gelöst, dass wir eine Reiseschreibmaschine, ein Fotokopiergerät und das nötige Papier nach Ballenstedt mitnahmen. Dadurch konnten wir abends im Hotel selbst Vorlagen erstellen und vervielfältigen, die wir am nächsten Morgen unseren Ballenstedter Gesprächspartnern übergaben. Nur so wurde es möglich, einmal über Formulierungen zu diskutieren, die nicht aus Ost-Berlin stammten und nur so kamen wir letztendlich auch in der Sache weiter. Außerdem half uns das Abhören unserer internen Beratungen. Bei diesen haben wir uns darüber unterhalten, dass wir bei weiterer Unnachgiebigkeit der Ballenstedter die Vertragsverhandlungen abbrechen und zurück nach Kronberg fahren würden. Das wollte zwar niemand wirklich, die Lauscher an der Wand haben es aber offenbar geglaubt.
Am Rande sei noch vermerkt, dass die Schreibmaschine und das Fotokopiergerät bei den DDR-Grenzern erst einmal für Irritationen sorgten, weil die „Einfuhr“ dieser Gegenstände in die DDR angeblich nicht möglich war. Erst auf unser Drängen hin wurde die Freigabe schließlich telefonisch höheren Orts bewilligt, nicht ohne die Ermahnung auszusprechen, dass diese Dinge keinesfalls in der DDR bleiben dürften.
Unter all den Erfahrungen, die ich in meiner Zeit im Kronberger Rathaus sammeln durfte, ist die an die Verhandlungen mit der damaligen Ballenstedter Delegation wohl die schönste. Für mich ist mit der Begleitung der Verhandlungen und Mitgestaltung des Partnerschaftsvertrages ein Wunsch in Erfüllung gegangen, von dem ich zuvor noch nicht einmal etwas wusste“.
Kronberg-Ballenstedt ist die 36. deutsch-deutsche Städtepartnerschaft. Es war in Hessen die erste und einzige Verschwisterung zweier kreisgebundener Kommunen bis zum Mauerfall, der bis zu diesem Datum aus Hessen nur noch Kassel – Arnstadt folgte (26.6. / 12.7.1989).
(Quelle: Beatrice von Weizsäcker, „Verschwisterung im Bruderland“ – Städtepartnerschaften in Deutschland)
Vor 1988
Die ersten Anregungen und ein Antrag mit dem Ziel einer Abklärung der Möglichkeiten zur Begründung einer Städtepartnerschaft zwischen Kronberg und einer vergleichbaren Stadt in der früheren DDR entsprangen der Initiative der Kronberger SPD-Fraktion. (1985 Antrag in StVV: „Wir sprechen zwar eine Sprache, aber wir können uns nicht verstehen.“ Wilhelm Kreß, Fraktionsvorsitzender).
Im Jahr 1986 drängte sie auf entsprechende Sondierungsgespräche, denn zu diesem Zeitpunkt wurden bereits erste deutsch-deutsche Städtepartnerschaften vereinbart. In der Folgezeit ergab sich für den Kronberger Mitbürger Dr. h.c. Walther Leisler Kiep die Möglichkeit, den Weg zu einer DDR-Städtepartnerschaft zu ebnen, indem er diesen Wunsch dem damaligen DDR-Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker vortrug, als jener in der Zeit vom 7. bis 11. September 1987 zu einem Staatsbesuch in Bonn weilte. Aufgrund familiärer Beziehungen Kieps zu Ballenstedt wurde diese als mögliche Partnerstadt vorgeschlagen. Der damalige SPD-Fraktionsvorsitzende Wilhelm Kreß, (ab 1.12.1990 Bürgermeister bis 30.11.2008) und der damalige Bürgermeister Rudolf Möller, CDU, (Bürgermeister von1.10.1971 bis 30.11.1990, Ehrenbürger von Ballenstedt und Kronberg) wurden durch ihr politisches Engagement zu den „Machern“ dieser geplanten Städtepartnerschaft.
„ …Wenn der SPD-Antrag zunächst auch keine Mehrheit gefunden hat, wurde er gedanklich doch aufrechterhalten, weil zu diesem Zeitpunkt bereits erste deutsch-deutsche Städtepartnerschaften vereinbart waren und beiderseitige Verhandlungen geführt wurden. Auch die FDP sei stark partnerschaftsorientiert gewesen, nur „die CDU hat sich dagegen gesträubt“, erinnert sich Altbürgermeister Rudolf Möller.
Grund waren die negativen Erfahrungen der Stadt Königstein mit Königstein in Sachsen unter dem damaligen Bürgermeister Antonius Weber, dessen Ansinnen schlicht abgelehnt wurde. …
… Möller setzte bei seiner Fraktion eine hundertprozentige Kehrtwende durch, stieg zu Wilhelm Kreß ins Boot und beide zusammen wurden durch ihr politisches Engagement die „Macher“ dieser Städtepartnerschaft …“
(Textauszug Jubiläumssonderbeilage des Kronberger Boten, Juni 1998)

v. l. n. r. Carl Horst Hahn, Dr. h. c. Walther Leisler-Kiep und Erich Honecker
„Ein denkwürdiges Schreiben des Leiters der Ständigen Vertretung der Deutschen Demokratischen Republik, Ewald Moldt, an den damaligen Bürgermeister Rudolf Möller, datiert vom 9. November 1987, legte den Grundstein zur späteren Städtepartnerschaft. Darin heißt es im Wortlaut: „Während des Besuchs des Generalsekretärs des ZK der SED und Vorsitzenden des Staatsrates der DDR, Herrn Erich Honecker, in der Bundesrepublik Deutschland wurde vom CDU Bundesschatzmeister, Herrn Walther Leisler Kiep, der Wunsch nach Herstellung einer Städtepartnerschaft zwischen Kronberg und einer Stadt in der Deutschen Demokratischen Republik angesprochen. Nach erfolgter Prüfung möchte ich Sie darüber informieren, dass die Stadt Ballenstedt in der DDR ihre Bereitschaft erklärt, mit Kronberg eine solche Partnerschaft zu begründen. Der Bürgermeister von Ballenstedt erwartet eine entsprechende Initiative Ihrerseits, auf die er positiv antworten würde. Über die Bereitschaft der Stadt Ballenstedt zur Städtepartnerschaft mit Kronberg habe ich Herrn Leisler Kiep informiert.“
(aus Pressetext Jubiläumssonderbeilage des Kronberger Boten, Juni 1998)
Nachdem die Mitglieder des Kronberger Stadtparlaments auf ihrer Sitzung vom 12. November 1987 informiert wurden, dass die Stadt Ballenstedt bereit sei, mit Kronberg eine Partnerschaft einzugehen, wurde in Kronberg eine Partnerschaftskommission gegründet, die Kontakt mit dem Rat der Stadt Ballenstedt aufnahm und nach Kronberg einlud.
Christoph Schröter beschreibt diese Zeitspanne in Ballenstedt wie folgt:
(Textauszüge aus „Ballenstedt im 20. Jahrhundert – 1920 bis 2000“ / Die Jahre 1945-1988)
„… die erneute Steigerung der Braunkohlenutzung ( ab 1983) … ließ die Umweltverschmutzung unerträglich werden, so dass das Protestpotential in der Bevölkerung wuchs, der Staatssicherheitsdienst notierte besorgt die Beunruhigung der Bevölkerung, die sich in ersten kleinen Gruppenzusammenkünften zeigte. …
Versuche, Kontakte zu westdeutschen Gruppen, zu einer Partnerstadt oder zu SPD-Organisationen zu finden, scheiterten damals am fehlenden Geld und am Unwillen der Gegenseite. Das Lockthema Friedensvertrag und Wiedervereinigung war noch ohne Chance. Längerfristig aber erwuchs aus der realen Abschottung und der erzwungenen Eigenentwicklung ein neues Selbstverständnis und ein besseres Nebeneinander der beiden deutschen Staaten und der Menschen in ihnen.
Ein bemerkenswertes Zeichen der nötigen politischen Entspannung hatte die Kleinstadt Ballenstedt erleben können: Beim Besuch Honeckers 1987 in Bonn gelang es Dr. Walther Leisler Kiep durch seine familiären Bezüge zu Ballenstedt die erste Städtepartnerschaft zwischen zwei kleineren Kommunen zu erreichen. Sie wurde zwar zunächst ohne ausreichenden Bevölkerungskontakt, nur im Austausch offi zieller Delegationen, dargestellt, behielt aber über 1989 hinaus ihren Impulscharakter und Lebenskraft.“